Was danach geschah
Die Kleene Ella wird einen Monat später an einem Blutgerinsel sterben und Valerie sich vor künftigen Familienfesten ängstigen.
Wie von ihr befürchtet, wird es auf einer der Feiern für Gebauer eine weitere Gelegenheit geben, sich anzunähern. Sie soll ihm im Stall Kaninchenbabys zeigen.
Nach anfänglichem Zögern vertraut sie ihm, sowie ihrer Großmutter, von der dieser Vorschlag kommt … ein letztes Mal … denn mit dem erneuten Übergriff lernt sie, dass Instinkte nicht täuschen, und dass sie sich selber schützen muss.
Nach zwei Jahren wird Valerie aufatmen, still für sich. Gebauer stirbt an einem Herzinfarkt.
Bis zum vierzehnten Lebensjahr, wird es weitere Missbrauchsfälle geben, denen sie immer „rechtzeitig“ durch Davonlaufen entkommt.
Sie geschehen durch den erwachsenen Bruder der besten Freundin, durch Fremde auf der Straße, durch Erzieher im Ferienlager … Jedes männliche Wesen wird in ihrer Vorstellung zum potentiellen Gefahrenträger. Auch der eigene Vater.
Vom neunten bis zum sechzehnten Lebensjahr wird sie keine Mädchenkleidung tragen und Habitus sowie Ausdrucksformen dem männlichen Wesen anpassen.
Dem Vater vertraut sie sich bei keinem der aufgezählten Fälle an. Die Schuld für Gebauers Übergriff gibt sie sich Jahrzehnte selbst.
Dreißig Jahre später wird sie ihre Mutter nach dem Warum fragen und wieso ihr niemand half … »Na, du weißt doch, wie das früher war, was nicht sein darf, das nicht sein kann.«
Anmerkungen der Autorin
Vielleicht wäre der Vater derjenige gewesen, der ihr geglaubt hätte … weil vielleicht nur Männer einschätzen können, wozu Männer in der Lage sind.
Wer mich kennt, weiß, dass ich vom Männerhassen weit entfernt bin und ich kein falsches Bild aufkommen lassen will.
Valeries Geschichte ist stellvertretend für viele Fälle in Familien. Familien, denen niemand von außen so ein schwarzes Schaf zutraut. Schicht und Bildungsstand sind dabei kein Ausschlusskriterium. Kinder sind nicht vor Übergriffen gefeit, sobald die Aufmerksamkeit der Erwachsenen oder die Bereitschaft genau hinzusehen, getrübt sind. Durch Zusammenhalt, Ängste, Zwänge …
Die Geschichte liegt weit zurück. Sie spielte in Zeiten, als es zu Höflichkeit und guter Erziehung gehörte, sich brav von widerlichen Tanten küssen lassen zu müssen. Wo Kindern kaum Gehör geschenkt wurde. Wo die Autorität der Erwachsenen zwang, freundlich zu gehorchen.
Davon sind wir heute entfernt. Kinder lernen im Kindergarten spielerisch NEIN! zu sagen, wo sie etwas nicht wollen. Ein Schritt dahin, dass viele länger Kinder sein dürfen, als alle Valeries oder Valentins, denen das Vertrauen zum Schoß der Familie und somit zum Leben schlechthin viel zu früh genommen wurde.
Passt auf euch auf und auf eure Schätze!
Jo Lenz
Ein Gedanke zu “kastanienbraun – was danach geschah”